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Haptik


Neben dem Riechen (olfaktorisch), dem Hören (akustisch), dem Schmecken (gustatorisch) und dem Sehen (visuell), nehmen wir auch über unseren Tastsinn unsere Umgebung wahr.


Die Haptik umfasst alle Eigenschaften, die von einem Körper, einem Gegenstand mit unseren Händen und der gesamten Haut aufgenommen werden können.


Die feinen Nerven in unserer Haut können feinste Unterschiede erkennen. Ist etwas trocken, feucht oder nass; ist etwas kalt, warm oder heiß; ist etwas glatt, rau oder etwas dazwischen?

Wir erkennen feinste Unterschiede in der Oberfläche und können auch sehr schnell entscheiden, ob sich etwas gut oder weniger gut anfühlt.

Gerade bei Gebrauchsgegenständen ist es wichtig, dass er gut „in der Hand liegt“.


Bei der Erstellung von Gebrauchsgegenständen ist mir folgende Reihenfolge wichtig:

1. Die Form muss so gewählt sein, dass der Bediener den Gegenstand intuitiv richtig in die Hand nimmt und ergonomisch möglichst angenehm nutzen kann

2. Natürlich muss der Gegenstand die ihm zugedachte Funktion erfüllen!

3. Den Anforderungen der Handhabung und eventuell auch der Notwendigkeit des Gegenstandes folgend, wähle ich das zu verwendende Holz, bzw. Alternativmaterial aus.


Eine formschöne Salatschale, die allen Gesichtspunkten des goldenen Schnitts folgt, aber Aufgrund der falschen Zuteilung (62/38%) wackelig steht, verfehlt ihren Zweck.


Es fühlt sich – um bei der Salatschale zu bleiben, sehr gut an, wenn die Daumen am oberen Rand über eine weiche Rundung geführt werden und die Fingerspitzen am Boden an einem leichten Karnies anliegen.


Meine Muskatreiben folgen einer halb geschlossenen Handform und auch bei den Gewürzmühlen ist der Hals so gering im Durchmesser, wie es das Innenleben hergibt. Dadurch ergibt sich eine sehr gute Haltekraft bei der Nutzung.


Neben der rein funktionellen Formgebung und dem Nutzungsgefühl spielt auch die Oberfläche des Gegenstandes eine große Rolle.

Viele meiner Kunden möchten einen möglichst natürlichen „Griff“ der Holzgegenstände. Das beinhaltet das ertasten der Holzmaserung. Selbst bei einem feinen Schliff greift sich Holz anders, als ein Kunststoff. Holz greift sich „weicher“ und wärmer, als viele andere Stoffe.

Dieses Ergebnis wird durch die Verwendung von Ölen erreicht. Welches Öl letztendlich das „richtige“ ist, ergibt sich aus der beabsichtigten Nutzung und eventuell auch durch visuelle Einflüsse. Einige Öle feuern das Holz an, die Maserung tritt hierbei deutlicher in Erscheinung, andere Öle tun eben dies nicht. Öle dringen in das Holz ein und bilden eine Oberläche – zumindest die von mir verwendeten Öle. Die vom Öl geschaffene Oberfläche befindet sich innerhalb des Holzes und härtet die oberste Schicht. Eine Karnaubawachspolitur macht das Holz etwas glänzender, glättet eventuelle kleine Ölpusteln, ändert aber nicht die Griffigkeit des Objektes.


Die Gestaltung, bzw. die Wahl des Oberflächenmittels hat hier erheblichen Einfluss auf das Gefühlserlebnis. Eine auf hochglanz polierte Lackoberfläche ist kühl und glatt. Die Maserung des Holzes wurde hier komplett aufgefüllt. Der Lack verändert die Isolationswirkung des Holzes, es wirkt kühler. Ähnlich verhält es sich bei einer Oberfläche mit CA-Klebstoff. Diese wird aufgrund ihrer einfachen Verarbeitung und Strapazierfähigkeit gerne bei Schreibgeräten verwendet, das Griffgefühl unterscheidet sich aber nicht mehr von einem Kunststoffschreibgerät.


Zum Bereich der Haptik gehört natürlich auch die generelle Form. Die derzeitige Formgebung ist im Allgemeinen eher etwas schlichter. Gerade hier zeigt es sich aber, dass besonders sauber gearbeitet werden muss, da man nichts „verstecken“ kann.

Eine Kante soll eine definierte Kante bleiben und darf nicht rund geschliffen werden. Dies wird durch richtige Schnittführung und auch richtiges Schleifen erreicht. Kanten sollten leicht gebrochen werden, damit sie bei Berührung nicht unangenehm erscheinen oder gar schmerzen.

Mit Feinprofilen kann auch ein besonderes Erlebnis erreicht werden. Durch Kanten ergeben sich unter Umständen definierte Stellen, die für die Funktion ausschlaggeben sind, es können Strukturverluste – z.B. durch das Abstechen kaschiert werden und je nach Position wirkt sich Schattenwurf ebenfalls auf die Ästhetik aus.


Auf Märkten und Ausstellungen konnte ich oftmals beobachten, dass Gegenstände in die Hand genommen wurden, der Blick aber ins Leere ging. Hier hat die Haptik komplett die Führung übernommen.


Die visuelle und die haptische Wahrnehmung können sich decken, aber auch konträr wirken. Da das Gehirn auf gewisse Größen-Gewicht-Verhältnisse programmiert ist, kann sich ein massiv wirkender Gegenstand, der aber raffiniert ausgearbeitet wurde, den Begutachter aufgrund geringen Gewichts überraschen.


Anders als bei Serienprodukten oder industrieller Fertigung können wir Drechsler einen Gegenstand speziell an die Wünsche und Gegebenheiten unserer Auftraggeber ausrichten.

Überzeugen Haptik, Funktion und Ästhetik, wird das Objekt gerne verwendet, oder einfach nur so gerne in die Hand genommen, da es sich „gut“ anfühlt.

„Gut“ ist nicht normierbar und somit nicht bestimmten Werten oder Maßen untergeordnet. Was sich gut anfühlt und was nicht, ist individuell und Geschmacks- und Personenbezogen.


Gedrechselte Objekte sprechen vorrangig zwei Sinneswahrnehmungen an – visuell und haptisch. Eventuell kann noch der Geruchssinn angesprochen werden, wie es bei Zirbe, Huon-Pine, Wacholder oder ähnlichen Gehölzen mit ätherischen Ölen der Fall sein kann.

Ist ein Gegenstand „schön“, erweckt also visuell das Interesse, wird die Haptik erkundet. Nur wenn beide Wahrnehmungen positiv überzeugen, bestehen gute Chancen ein Objekt zu verkaufen.

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